Mircea PETEAN

Der Auserwählte

 

er hat sich mit den Flüssen abgegeben

und die Flüsse waren zersprungene Rinnen

er hat sich mit den Steinen abgegeben

und die Steine waren ungelöschter Kalk

er hat sich mit den Tannen abgegeben

und die Tannen haben sich als Lärchen erwiesen

er hat sich mit den Vögeln abgegeben

und die Vögeln waren Schrei

er hat sich mit den Gräsern abgegeben

und das Rauchgras war ein Rauchstrauch

er hat sich leise dem Gedicht genähert

und dieses hat sich sofort entfernt

 

seitdem teilt er sein Schicksal mit der armen Spinne

Tag um Tag zeichnet er unermüdlich

Reisewege auf einem gekräuselten Meer

ein Meer das sie beide lesen wie über Nebel.

 


Gefühlvoller Roman

 

seit zweieinhalb Jahrzehnten

reist der Herr mit seinen Auspendlerin Gefährtin

in dem selben Abteil auf dem Sitz  gegenüber

schweigend lehnt er es ab Pullis Handschuhe und Strümpfe zu tragen

von ihr gestrickt mit Geschick und Demut  verachtet

die After-Shave Sprays und die Brillantine

gekauft und geschenkt von ihr mit Güte und Opfermut

 

seit zweieinhalb Jahrzehnten – sage ich – reist Herr

Feldmesser zusammen mit seiner Gefährtin

ißt macht sich schön und schläft neben ihr

ohne sie zu berühren sie haben – vielleicht etwas weniger er –

das ganze Leben vor sich

 

„das ganze Leben starre brülle schreie ich sie an

– meine Mitbürger –

ich verfluche sie ich zanke ich beleidige sie

aber ich tue ihnen nichts“ – sagt der Wächter Nummer eins  des

Gebiets und entfernt sich hinkend in seiner

kasernenmäßigen Uniform die eine vergangene Zeit so gut wiederbelebt

 

„seit ich lesen gelernt habe

– sehr gut gefallen mir die Gedichte –

ich mir gewünschte ich hätte geträumt wie kann ich es ihnen mit unendlicher Gefühlserregung sagen

ich hätte geträumt den wunderbaren Augenblick der Begegnung mit einem wahren

Dichter – einem Eminescu einem Coşbuc einem Topârceanu einem

Bacovia in Fleisch und Knochen – und jetzt siehe kann ich es nicht glauben

aber lassen sie mich zweifeln dass ich seit über fünf Jahren

neben einem Menschen  stehe so fröhlich

so redselig so gesellig

ein Elender immer verliebt und immer spielbereit

und dass dieser ein Topdichter sei“ – sagt das Fräulein

Lehrerin für rumänische Sprache und Literatur vom Stamm

der freien Daker plötzlich jung geworden

 

seit einigen Tagen  läuft der Dichter durch die unteren Stockwerke

heute ist er im Erdgeschoss

dort wo der Trockenraum die letzte Zuflucht des jungen

Absolventen der humanistischen Studien geworden ist

seine Dissertation handelt über Die Verschiedenheit der transsylvanischen Landschaft

in den Gedichten Mircea Peteans

 

dort in dem Trockenraum des Blocks der zum Trockenraum der Bücher wurde

hat unser Jüngling mit sicherer römischer Abstammung

zum Romanheld geworden das alte Fräulein verführt

die Folge – Lieber – überlass ich euch

überzeugt dass ihr besser als jedermann weben werdet

die erst entworfene Textur

Traducere în germană Mircea M. POP