Marius CHELARU

Christus (Crist)

Vor uns  von niemandem

gesehen

sitzt Christus

 

Traurig

rezitiert die alten Schriften

für niemanden

 

Er flüstert

ich bin Christus

trage den Schmerz der Welt

blutend von dem neuen Krieg

ich trage das Glück der Welt

im Lächeln des Neugeborenen

trage die Sonne

und die Blumen

der Wunsch zu träumen

ist mein Wunsch

euer ist es zu glauben

oder auch nicht

 

Ich bin Christus

flüstert Er traurig

in meiner Seele

flüstert die ganze Liebe dieser Welt

durch meine Venen

fließt das Blut der ermordeten

und das der Ungeborenen

durch meine Hände dringen die

Nägel eurer Gleichgültigkeit

 

Ich bin Christus

aus meinem Herzen

fließen die Bäche des Himmels

wachsen die Rosen der Liebe

in meinem Herzen

wohnt ihr alle

die ihr mich sieht

die ihr mich hört

in meinem Gedicht

wohnt Herrgott

und bindet seine Gedanken

mit all eure Tränen

 

Ich bin Christus

 

Du (Tu)

Während du die Halme schütteltest

fielen die  reifen Körner in deinem Herz

 

Danach

sehe ich mich schreitend auf unendliche Hügel mit dir

durch Gräser voller Tau

der Horizont voll der Nacht Feuchte

hellt sich

gerade in dem Augenblick als ein Vogel singt auf

als ob es schlürfen würde jedes Triller unseren Herzen

die Steine des Schweigens hängen an meinen Lippen

ich sehe die Rundung deiner Ferse

wie sich ins Gras vertiefen

deine Hüften die jedes entbehren

den Abhang deiner Brüste

so steil wie meine Ängste

 

Der Mond lässt sich von Gottes Finger

empor zum Himmel heben

die Häuser nisten sich im Schoß der Dämmerung

nur deine Augen glänzen noch im Abend

das glitzern deiner Seele flammt mich an

wie ein Pfahl voll Zärtlichkeit

das Tal des Dorfes riecht nach frisch getünchte Küche

mit dem Kalk meiner Erlebnisse mit dir

die ich schon vergaß

 

Liebe (Iubire)

mit verstummten Handflächen von Evas Lächeln

entsage ich mich der Wange des heutigen Tages

zertrete mich

mit rissigen nach Weg sich sehnenden Sohlen

–  niemals geschlürft von des Tageslippen vergangener Tage –

wie auf einem vergilbten Fingerblatt des Herbstes

 

Ich knie im Schoß meiner Mutter

die Erde

neigt sich in deine Augen – Blume von Tau geküsst –

und blinkt dem Tag entgegen

 

Auf deinen Lippen voll Liebesgeflüster

werde ich Herabregen

 

Zuhause (Acasă)

Einst

zuhause

in meinem Mutters Dorf

es gab ein Plätzchen wo niemand starb

und das Gras

war so grün wie des Himmels Augen

die Zeit hatte keine Bedeutung mehr

sie maß sich von  dem ersten Atem der Schneeglöckchen

und dem Geschmack der Kirschen im Mai

 

Einst

es hieß Nacht wenn man träumte

und Morgendämmerung wenn der Duft der Trauben schlich

zwischen den Sonnenfinger bis zu dir

 

Einst

der Himmel war ein Plätzchen wie zuhause

nur die Engel sahen aus wie alle dort

einst

 

Es war (era)

wie ein Apfelbaum die Liebe

mit dein Gesicht

mit mein Gesicht

 

wie Kerne deiner Sehnsucht

meine Sehnsucht

 

wie ein Apfelbaum die Liebe

mit der Schale wie die Spree

von Weiße Träume und von roter Suche

die Kindheit mit alldem

was wir uns gewünscht haben

suchten Zuflucht

in de Apfellieberinde

 

wie ein Apfelbaum die Liebe

mit dein Gesicht

mit mein Gesicht

 

mit aus deiner Körperkerne

aus meinem Körper

 

wie ein Apfelbaum die Liebe

mit der Rinde wie ein Herbsttag

mit einem Körper müder Odaliske

hingelegt im Rost des Augenblicks

aus meinem Körper

aus deinem Körper

in meiner Sehnsucht

in deiner Sehnsucht

 

wie ein Apfelbaum die Liebe

vergessen

dann als wir uns nie mehr sahen

und tat nicht weh

und tat nicht weh

 

wie ein Apfelbaum die Liebe –

es war

 

Heute lügen wir uns an

(Azi ne mințim)

 

heute lügen wir uns an

dass wir alle Wörter aufbewahren für anders mal

der Tag hat keine Zeit zu enden

wir hören wie der augenblicklich in uns sich öffnet

– Tür nur zum weggehen  –

die Augenlider zerbrechen Blicke in Flut von Scherben

 

heute lügen wir uns an

weil wir die Atemzüge für anderes mal bewahren

wir wissen nicht aus Erinnerungen Burgen bauen

in Sand zerrinnend

 

du schenktest mir Flügelwörter

zu fliegen über eigenen Ruinen

dir nach

 

meine Gedanken

messen den Himmel den Tag den Schmerz das Weggehen

deiner Gedanken

bauen unsre Liebe

in trostlose Gemäuer deren Kirche die aufbewahren wird

die Nachtkerzen unserer Liebe

jedoch

sicherlich

heute lügen wir uns an

 

Mutter

(Mama)

 

Meine Mutter blieb außerhalb von mir

gleich nach meiner Geburt

gleich als ich zu sehen anfing

die Welt wieder belebte in meine Hände

der Augenblick meiner Geburt setzte sich auf

die Türschwelle in Erwartung soll ich mich entscheiden

ob ich leben oder beißen soll ein einziges Mal

die Brust der Welt

 

gleich einer Seele

meiner Mutter Hände drangen durch meine Haut

in meinem ersten Traum

über mein schlagendes Herz

 

Traduceri de Christian W. SCHENK